Interview mit Dr. med. dent. Reinhard F. Nölting

Herr Dr. Nölting, Sie sind seit mehr als zwei Jahrzehnten als Zahnarzt tätig. Wie bleiben Sie neben der Praxisarbeit fachlich am Ball?

Da sind und waren regelmäßige Fortbildungen sehr hilfreich. Wir haben dadurch erfolgreiche Behandlungstechniken und Verfahren kennenlernen und weiterentwickeln können. Dabei suchen wir uns gezielt die Fortbildungen aus, die uns weiterbringen, und bewerten dabei auch, was in der Praxis umsetzbar ist. Genauso wichtig ist der Austausch mit unseren Zahntechnikern. Alle größeren Fälle planen wir in intensivem Dialog. Das bringt uns weiter und führt zu Behandlungserfolgen. So erhalten unsere Patienten Kronen, Brücken und Implantate, die mehr als 20 Jahre lang in Ästhetik und Funktion zuverlässig ihren Dienst tun. Mehr noch: Sie sehen zum Teil aus, als wären sie erst gestern eingesetzt worden.    

Ganzheitlicher Zahnersatz ist einer Ihrer Schwerpunkte. Welchen Vorteil haben Patienten, wenn Sie als „Hauszahnarzt“ Implantate setzen?

Viele reden davon, was wir bereits seit langer Zeit umsetzen: das sog. „backwards planing“. Wir haben den fertigen neuen Zahn auf dem Implantat als klares Ziel vor Augen. Also wird das Implantant dort gesetzt, wo es hingehört. Das ist die Voraussetzung für eine perfekte Krone. Von ganz großer Bedeutung ist außerdem das Zahnfleisch um das Implantat herum. Wir optimieren es in mehreren Schritten. So entsteht ein Übergang zwischen Implantat und Zahnkrone, der dem eines natürlichen Zahns entspricht. Das sieht nicht nur besser aus, sondern erhält die Gesundheit des Zahnfleisches bzw. des Implantatübergangs über Jahre und Jahrzehnte. 

Ein weiteres Ihrer Spezialgebiete ist die Funktionsdiagnostik und -therapie. Welche Patientengruppen profitieren davon?

Kurz und knapp gesprochen, alle bei denen der Biss nicht stimmt. Das kann nämlich dazu führen, dass die Patienten verstärkt mit den Zähnen knirschen, die Kaumuskeln verspannen und Kopf- und Nackenschmerzen entstehen. Hier kommen speziell konstruierte Aufbissschienen mit einer CAD/CAM-designten Oberfläche zum Einsatz. Nach eingehender Vermessung der Kiefergelenke richten wir den Oberkiefer und den Unterkiefer in einer entspannten Lage zueinander aus. In dieser entspannten Zuordnung wird die Schiene hergestellt. Wenn der Patient mit der Schiene im Mund zubeißt, treffen die Gegenkieferzähne gleichzeitig und gleichmäßig auf die Schiene. Die Kiefergelenke sitzen dadurch in der optimalen Position und die Kaumuskulatur entspannt sich.

Bei der CMD-Therapie setzen Sie auch auf osteopathische Methoden. Wie darf man sich das vorstellen?

Das ist ein ganz entscheidender Aspekt, der von vielen Zahnärzten leider unterschätzt wird. Normalerweise stellen Zahnärzte eine Schiene ohne eine Vermessung und ohne eine Vorbehandlung der Kaumuskulatur her. Das kann dazu führen, dass nachteilige Belastungssituationen im Mund der Patienten nicht beseitigt, sondern – schlimmer noch – verstärkt werden können. Für uns ist es daher unabdingbar, vor Herstellung der Schiene die Kaumuskulatur zu behandeln. Hierzu kühlen und denen wir mit der sog. „spray-and-stretch-technique“ die Kaumuskulatur. Wir alle wissen, dass überlastete Muskeln schmerzen und sich verkürzen. Die Gelenke werden unbeweglicher. Genau auf die Beseitigung jener Muskelverkürzungen zielt unsere Vorbehandlung ab. Die Kaumuskeln entspannen sich und die Kiefergelenke werden entlastet.

Hier endet unsere Vorbehandlung aber noch nicht. Zahlreiche Untersuchungen zeigen einen großen Zusammenhang zwischen überlasteten Kaumuskeln und Nackenmuskeln. Auch diese Strukturen behandeln wir mit Techniken der manuellen und osteopathischen Medizin. Wenn wir den Patienten ihre Schiene eingliedern, schließt sich bei uns eine Behandlungssequenz bei einem Physiotherapeuten an. In enger Abstimmung kümmern wir uns gemeinsam um die Nachsorge, um den Biss durch die funktionelle Schiene nachhaltig zu verbessern. Mit dieser fein konzertierten Behandlungsfolge konnten wir schon vielen Patienten helfen.  

Wir stellen fest, Sie decken ein weites fachliches Feld ab. Aber – Hand aufs Herz – was davon machen Sie denn am liebsten?

Das ist schwierig zu beantworten. Lassen Sie es mich so ausdrücken: Ich liebe es, meinen Patienten mehr zu geben als sie erwarten. Das klingt vielleicht etwas kryptisch, aber es trifft den Kern. Stellen Sie sich einen Patienten vor, der eine herausnehmbare Prothese trägt, aber mithilfe von Implantaten wieder feste Zähne bekommt. Natürlich kann man vorher erklären, wie die Behandlung abläuft und das Ergebnis sein wird. Doch am Ende der Behandlung als Patient selbst zu erleben, wie sich das Ergebnis anfühlt, ist nun mal eine andere Sache. Oder denken Sie an unschöne Schneidezähne. Sei es durch einen Unfall, Karies oder eine unglückliche Zahnstellung. Das mitzuerleben, wenn sich die Patienten mit den neuen, schönen Zähnen zum ersten Mal im Spiegel anlächeln, ist einfach ein unvergleichliches Gefühl. Meine kurze Antwort lautet also: Am liebsten gebe ich meinen Patienten ein angenehmes und sicheres Lebensgefühl zurück.  

Gab es in Ihrer Karriere ein Erlebnis oder einen Patienten, an das oder den Sie immer wieder gerne zurückdenken?

Da gibt es in der Tat sehr viele. Alle aufzuzählen, würde hier den Rahmen sprengen. Aber bei den gerade angesprochen Fällen hatte ich mich an reale Patienten erinnert. Zum einen etwa eine junge Frau, die kaum wagte, herzhaft zu lachen. Nach der Behandlung kehrte ihr herzhaftes Lachen und ihr Selbstbewusstsein zurück. Zum anderen hatte ich einen Patienten im Kopf, der eine herausnehmbare Prothese trug. Nach der Implantation und mit seinen neuen festen Zähnen fragte er sich selbst, wie er nur so lange mit einem solchen „Wackelding“ im Mund herumlaufen konnte. 

Gesunde Zähne stehen nicht nur für gepflegtes Erscheinungsbild, sondern steigern auch das allgemeine Wohlbefinden. Haben Sie einen Tipp, wie man seine Zahngesundheit möglichst lange erhält?

Das liegt auf der Hand. Wie ein Auto das regelmäßig zur Wartung in die Werkstatt kommt, muss auch der Mund regelmäßig „gewartet“ werden. Das bedeutet einen intensiven Check und eine professionelle Zahnreinigung. Je nach individueller Situation können diese Zahnreinigungen schon zwei- bis dreimal im Jahr ausreichen. Dazu bekommen die Patienten Tipps für die Zeit bis zum nächsten Check, um ihre Zähne zuhause besser pflegen zu können. Es wäre doch schade, wenn die schönen neuen Zähne zu früh kaputt gingen. Dazu wollen wir es primär gar nicht erst kommen lassen. Wenn immer mehr Patienten erkennen, wie wichtig die professionelle Zahnreinigung ist, können wir uns viele Behandlungen sparen.